Strafgesetzbuch (Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe). Änderung (BRG 25.027)

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In Erfüllung einer Motion von Andrea Caroni (fdp, AR) (Mo. 20.4465) eröffnete der Bundesrat im Juni 2023 die Vernehmlassung zur Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe. Mit entsprechenden Änderungen im StGB soll die lebenslange – und grundsätzlich unbegrenzte – Freiheitsstrafe deutlicher von der 20-jährigen Freiheitsstrafe und der Verwahrung abgegrenzt werden. Neu würde bei Ersterer die bedingte Entlassung nicht mehr nach 15 Jahren, sondern erstmals nach 17 Jahren geprüft. Bei der 20-jährigen Freiheitsstrafe gilt heute ein unbedingter Teil von etwas mehr als 13 Jahren. Ausserdem soll die bis anhin bestehende Möglichkeit einer gleichzeitigen Verwahrung bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe gestrichen werden, da die Verwahrung im Grundsatz erst nach einer Strafe vollzogen wird. Neu sollen jedoch nach 25 Jahren im Strafvollzug aufgrund einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Bestimmungen für die Verwahrung gelten, die laut Bundesrat im Gegensatz zum Strafvollzug keinen resozialisierenden Charakter aufweist. Überdies schlug die Regierung analog zur Forderung der Motion vor, die ausserordentliche bedingte Entlassung für sämtliche Freiheitsstrafen aufzuheben, da diese in der Praxis nie zur Anwendung komme.

Bis zum Ende der Vernehmlassung im Oktober 2023 äusserten sich alle 26 Kantone, 5 Parteien und 16 weitere Organisationen zum Entwurf. Von den insgesamt 47 Teilnehmenden lehnten deren 15 die geplanten Änderungen als Ganzes ab oder stellten den grundsätzlichen Handlungsbedarf in Frage, darunter die Parteien der SP und die Grünen, die KKJPD und sechs Kantone (SZ, AR, GR, NW, TI, VS). Auf der anderen Seite begrüssten die Parteien der Mitte, der SVP und der FDP sowie 13 Kantone und zwei weitere Organisationen den Vorentwurf im Grunde. Die Rückmeldungen zu den einzelnen Änderungen divergierten ebenfalls erheblich. So wurde die spätere Prüfung der bedingten Entlassung von fast gleich vielen Teilnehmenden begrüsst wie abgelehnt. Von 15 Rückmeldungen, darunter diejenigen der SVP und FDP, wurde gar ein späterer Zeitpunkt für die bedingte Entlassung gefordert. Die Aufhebung der ausserordentlichen Entlassung stiess ebenfalls auf gemischte Reaktionen, wobei 18 von 33 Rückmeldungen der Änderung positiv oder neutral gegenüberstanden. Insgesamt 12 Rückmeldungen – darunter diejenigen der SP, der Grünen und des SAV – betrachtete das Instrument zwar als selten, aber dennoch als legitim. Drei Kantone (JU, SH, TI) stellten zudem in Frage, ob die aktuelle Reform zur Aufhebung der ausserordentlichen Entlassung geeignet sei. Mehr Einigkeit zeigte sich betreffend die Regelung der lebenslangen Freiheitsstrafe in Kombination mit einer angeordneten Verwahrung. Diese Änderung wurde im Grundsatz insgesamt von 31 Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst, darunter alle 5 teilnehmenden Parteien, 18 Kantone und 8 Organisationen aus dem Rechtsbereich. Die genaue Ausgestaltung ebendieser Bestimmung erschien jedoch 16 Kantonen, der FDP und vier Organisationen, darunter die DJS und die KKJPD, als zu unklar. So sei beispielsweise nicht geklärt, inwiefern die Verwahrung zwingend in einer separaten Institution vollzogen würde oder warum genau 26 Jahre als Zeitpunkt für den Wechsel von der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Verwahrung festgelegt worden war.

Im Februar 2025 veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe und nahm dabei aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse einige Anpassungen am Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe in Kombination mit einer Verwahrung vor. Neu soll der Wechsel vom Strafvollzug in die Verwahrung nach 25 Jahren erfolgen und die Verwahrung explizit in einer spezialisierten Einrichtung vollzogen werden. Alle weiteren Bestimmungen blieben gegenüber dem Vorentwurf unverändert.

In der Sommersession 2025 behandelte der Ständerat als Erstrat die Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe. Wie Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) im Plenum ausführte, empfahl die RK-SR ohne Gegenstimme, auf den Entwurf einzutreten und ihn in der vorliegenden Form anzunehmen. Die vom Bundesrat vorgenommenen Anpassungen zur Abgrenzung der erstmaligen Überprüfung einer bedingten Entlassung zwischen einer lebenslangen und einer maximal endlichen Freiheitsstrafe seien sinnvoll und adäquat auf die jeweils begangene Deliktschwere angepasst, so Jositsch. Auch die Streichung der ausserordentlichen bedingten Entlassung für alle Freiheitsstrafen sei zweckmässig, da eine solche Entlassung in Realität «praktisch keine Anwendung» gefunden habe. Zudem begrüsse die Kommission die vorgesehene Option auf ein Arbeitsexternat bei lebenslangen Freiheitsstrafen nach 13 Jahren und den neu möglichen Wechsel von der lebenslangen Freiheitsstrafe in die Verwahrung nach 25 Jahren Haft. Der Ständerat trat daraufhin stillschweigend auf die Vorlage ein.

In der Detailberatung war einzig umstritten, ob die neuen Bestimmungen auch rückwirkend auf bereits verurteilte Personen anwendbar sein sollen. Hier beantragte eine Minderheit um Carlo Sommaruga (sp, GE) und Heidi Z'graggen (mitte, UR), die neue Regelung nur für Neuverurteilungen geltend zu machen. Der bundesrätliche Entwurf und die Kommissionsmehrheit sahen dafür keine Übergangsregelung vor. Z'graggen argumentierte mit der übertriebenen Härte einer solchen Rückwirkung für Betroffene, die plötzlich zwei weitere Jahre auf die Möglichkeit einer bedingten Entlassung warten müssten. Namens der Kommissionsmehrheit vertrat Jositsch dagegen die Überzeugung, dass eine einheitliche Regelung auch in der Kommunikation mit den Betroffenen sinnvoller sei, als über einen längeren Zeitraum mit zwei Haftregimen zu fahren. Mit 27 zu 14 Stimmen (0 Enthaltungen) folgte der Ständerat schliesslich der Kommissionsmehrheit und lehnte den Minderheitsantrag ab, der vorwiegend bei Vertreterinnen und Vertretern von SP, GLP und Grünen sowie bei einzelnen Mitgliedern der Mitte und des MCG auf Unterstützung stiess. In der Gesamtabstimmung passierte die Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe die Kantonskammer einstimmig.

Der Nationalrat behandelte in der Herbstsession 2025 als Zweitrat die Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe. Die RK-NR empfahl dabei mehrheitlich, auf die Vorlage einzutreten. Wie Kommissionssprecher Manfred Bühler (svp, BE) im Plenum ausführte, entsprächen die geplanten Verschärfungen im Vollzug lebenslanger Freiheitsstrafen einem Bedürfnis der Bevölkerung. Eine Minderheit um Raphaël Mahaim (gp, VD) beantragte indes, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Verschärfungen führten nicht zu einem zusätzlichen Schutz der Bevölkerung und erschwerten im Gegenteil die Wiedereingliederung der Verurteilten, so Mahaim. Vielmehr sei der Fokus auf Präventionsmassnahmen gegen Gewalttaten zu legen. Der Nationalrat folgte jedoch dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und trat mit 127 zu 65 Stimmen (1 Enthaltung) auf die Vorlage ein. Die unterlegene Minderheit bestand aus den Fraktionen der SP und der Grünen sowie einem Vertreter der Mitte.

Anschliessend debattierte die grosse Kammer wie schon der Ständerat darüber, ob die neuen Bestimmungen auch rückwirkend auf bereits verurteilte Personen anwendbar sein sollen. Die RK-NR beantragte, die neue Regelung erst für Neuverurteilungen geltend zu machen. Laut Kommissionssprecherin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) sollten «die Spielregeln nicht während des Spiels geändert werden», zumal damit ausgerechnet jener Teil der Verurteilten bestraft würde, der eine positive Prognose auf die Wiedereingliederung habe. Im Namen des Bundesrats unterstützte Beat Jans den Antrag der Kommission und nannte genaue Zahlen: Schweizweit befänden sich aktuell 16 Personen im Freiheitsentzug, welche von der Vollzugsänderung betroffen wären. Eine Minderheit um Mauro Tuena (svp, ZH) wollte dem Ständerat folgen und zugunsten der Opfergenugtuung keine Übergangsregelung vorsehen. Mit 107 zu 84 Stimmen (5 Enthaltungen) setzte sich der Antrag der Kommissionsmehrheit durch. Auf der unterlegenen Seite standen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, eine Mehrheit der Mitte-Fraktion und eine Vertreterin der FDP.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 131 zu 64 Stimmen (2 Enthaltungen) an. Dagegen votierten die Fraktionen der SP und der Grünen sowie ein Vertreter der Mitte. Gleichzeitig schrieb der Nationalrat auf Antrag des Bundesrats die dem Entwurf zugrundeliegende Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 20.4465) stillschweigend ab.